von Dr Frans Gieles, Niederlande
EinführungSeit etwa zwanzig Jahren versuche ich Menschen zu helfen, die mit pädophilen Empfindungen kämpfen. Dies tue ich als ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Niederländischen Vereinigung für Sexualreform (NVSH). Grad in den letzten zwei Jahren haben mich mehrere junge Menschen, meist Studenten in ihren Zwanzigern, um Hilfe gebeten In diesem Lebensalter von Zwanzig bis Dreißig sucht man sich üblicherweise Partner, bilden sich Paare. Diese Menschen aber fühlen sich zu Kindern hingezogen, Knaben und Mädchen, und wagen nun nicht, mit anderen über ihre Empfindungen zu sprechen, nicht mit ihren Kommilitonen, nicht mit ihren Eltern, ihrer Familie. In diesen Jahren, in denen man von der Familie getrennt lebt, hat man auch mehr Freizeit zu gestalten. Dann gib es heute auch das Internet für jeden. Diese Empfindungen, zu Kinder sich hingezogen zu fühlen, können nun leicht zu einer Obsession werden, die den Menschen auf ihrem Bildungsweg völlig zu hemmen vermag. Oft hört man von Obsession, Depression und Selbstmordgedanken. Manche blockieren ihre Gefühle, andere wiederum leben sie hemmungslos aus und haben demzufolge ernste Schwierigkeiten mit Polizei und Gerichten, ihrer Umgebung und Familie. (Sehe Sie zum Beispiel Sandfort's Liste mit Constructive questions) Beachten sie bitte, daß nach einer Studie von Nagayama Hall, Hirschman und Oliver mehr als ein Viertel ihrer Stichprobe normaler Männer auf pädophile Stimuli mit sexueller Erregung reagierten. Wir reden also nicht einmal nur von einer kleinen devianten Minderheit, sondern doch eher von einer normalen Variation im menschlichen Verhalten, dies freilich in einem Zeitalter, in dem jeder der so reagiert, von vielen für ein Monster gehalten wird. Etwas muß geschehen, doch was? Dreierlei InterventionIch möchte zunächst dreierlei Arten von Intervention unterscheiden:
Ich habe ein Schema gemacht um die unterscheidenden Differenzen sehen zu lassen. Wie es scheint, so hat jede Methode ihre Stärken und Schwächen. Um die geeignete Methode zu finden, sollten wir unsere Klienten unterscheiden lernen. Es gibt nichts, was immer hilft. Zuerst gibt es die »Behandlung« für Sexualtäter, die auf dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz beruht, und die heute unter dem Motto »Kein Heilung aber Kontrolle« weitverbreitet ist. Viele, die sie beruflich anwenden oder darüber veröffentlichen, halten sie für die einzig mögliche. Sie gibt aber Anlaß zur Kritik, und es gibt ja auch noch anderes. Andere, mich eingeschlossen, haben seit ungefähr zwanzig Jahren, unter anderem innerhalb der NVSH, die Selbsthilfe-Methode benutzt. Es sieht so aus, als ob wir vielen Menschen damit haben helfen können. In diesem Vortrag möchte ich besonders auf diese Methode als eine Möglichkeit eingehen, mehr Menschen zu helfen. Es ist möglich, diese Methode mit einer anderen zu verbinden, den Unterstützungskreisen (support circles), wie sie von einigen kirchlichen Gemeinschaften benutzt werden. Dies wurde von Kierkegaard und Northey beschrieben und empfohlen. Selbsthilfe ist auch im Internet verbreitet. Als drittes haben wir die wirkliche Psychotherapie, wie ich sie im Unterschied zur »Behandlung« unter Punkt Eins nenne. Es handelt sich um die vielen Formen der klassischen Psychotherapie. Diese dritte Möglichkeit ist so gut bekannt, so daß ich sie nur als nützliche Alternative zu den beiden andren, mit denen sie sogar kombiniert werden kann, erwähne und gelegentlich auch kontrastiere. Bis etwa 1980 war die individuelle Psychotherapie die Methode der Wahl. Dann wurde sie von den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden abgelöst. RückfälligkeitDie Rückfallhäufigkeit wird gerne zur Bewertung von Behandlungsmethoden herangezogen. Robinson kommt zu dem Ergebnis, daß die Rückfallrate für Sexualstraftäter ohne Behandlung bei etwa 20 % liegt, während es bei stattgefundener Behandlung nur 10 % seien. Behandlung kann also die Rückfälligkeit halbieren. Nur welche Behandlung oder Hilfe soll es sein? Nach Margaret Alexander lag die Rückfälligkeit nach einer Therapie vor 1980, also mit den alten Methoden, bei 12.8 %, während sie nunmehr mit den neueren Methoden 7.4 % beträgt. Ihre Arbeit war eine Art von Meta-Analyse, bei der sie 79 Studien mit mehr als 11000 Fällen betrachtete. Es sieht also so aus, als ob die Rückfall-Häufigkeit mit den neuen Methoden kleiner als mit den alten ist. Verweilen wir für einen Augenblick bei diesen Zahlen. Jeder, der Politikern oder Journalisten zuhört, muß glauben, daß Sexualstraftäter eine sehr hohe Rückfall-Häufigkeit aufweisen, von 90 % oder mehr. Ja, hier in den Niederlanden hat selbst ein Professor für Sexualwissenschaften lange Jahre behauptet, daß die Rückfallraten sehr hoch seien, bis er begonnen hat, etwas darüber zu lesen, dann wurden seine Zahlen kleiner und kleiner.
Jeder, der sie Ergebnisse der Forschung zur Kenntnis nimmt, sieht also ganz andere Zahlen. Die Rückfallraten sind viel niedriger, als gewöhnlich behauptet wird. Tatsächlich wäre die Selbsthilfemethode, unsere Nummer 2, nicht so einfach zu begründen, lägen die Zahlen wirklich bei 90%. Im allgemeinen herrschen eine Menge verkehrter Vorstellungen über Sexualtäter; ein Artikel der csom.org, »Myths and Facts About Sex Offenders«, vom August 2000 nennt eine ganze Reihe davon. Im Jahre 1998 haben Karl Hanson und Monique Bussière die letzte Meta-Analyse zu diesem Thema vorgelegt: Predicting Relapse: A Meta-Analysis of Sexual Offender Recidivism Studies. Sie unterzogen darin 61 Verlaufsstudien mit insgesamt 23400 Probanden einer kritischen Würdigung. Im Durchschnitt war dabei die Rückfälligkeit von Sexualtätern mit 13.4 % eher gering: für die allgemeine Straffälligkeit liegt übrigens die Rezidivrate bei 36.3 %. Damit ist sie für Sexualtäter nicht dreimal so hoch, sondern dreimal so niedrig wie im Allgemeinen. Es ist also einfach falsch, daß 90 % der Sexualtäter wieder straffällig werden, es sind nur 13.4 %! Wiederum scheint Behandlung hilfreich zu sein: »Die Täter, die eine Behandlung nicht beendeten, hatten ein höheres Risiko, rückfällig zu werden, als jene, die die Behandlung beendeten.« Ihren Artikel finden Sie ungekürzt auf der CD-Rom, die ich Ihnen hier zu Verfügung stelle. Eine gute Zusammenfassung der Arbeit von Hanson und Anderen gibt der Aufsatz von Wakefield und Underwager. - In mein Literaturliste finden Sie noch mehr Hinweise auf Forschungen auf diesem Gebiet. Zwanzig Minuten sind nicht genug, um sie alle vorzustellen. Auf der CD-Rom und der Website, die ich vorbereitet habe, ist hingegen viel Raum für derlei Ergebnisse. Lassen Sie mich zu den Zahlen noch etwas sagen: dies sind Zahlen die mit statistischen Methoden gewonnen wurden, hier reden wir jeweils von Tausenden von Menschen. Es ist dies der Standpunkt des (Versicherungs-)Mathematikers. Wenn wir aber einem Menschen helfen wollen, so können wir dies nur tun, indem wir uns einen nach dem anderen einzeln vornehmen. Als Kliniker, müssen wir den Standpunkt des Klinikers einnehmen. Beide Standpunkte sind verschieden. Don Grubin und Sarah Wingate drücken es so aus: »Der entscheidende Unterschied ist der, daß die Statistiker Voraussagen über Gruppen machen, und das sagt wenig über den Einzelfall, wenn es sich nicht um sehr häufiges Verhalten handelt.« Weiter schreiben sie: »Sexualtäter sind nicht einfach nur Merkmalsträger. Eigenschaften, die dem Statistiker bedeutsam sein mögen, sagen uns an sich wenig, denn statistischer Zusammenhang ist nicht schon gleich Verursachung. Nur dann können sie uns etwas über die Rückfälligkeit sagen, wenn wir deren Bedeutung für einzelne Individuen haben klären können.« So mag denn eine Studie die Apotheose der statistischen Untersuchung sein, und doch für den Kliniker irrelevant. »Es ist möglich, daß Faktoren, die in der Statistik nicht auffallen, dem Kliniker die Entscheidung, ob eine Intervention nötig ist, erst ermöglichen.« Pädophilie ist Gegenstand noch andrer Mythen und Vorurteile. In einem Hintergrundartikel habe ich auf der CD-Rom und der Website auf viele zusätzliche Literaturstellen hinweisen können. Gestatten Sie mir aber, nur
zwei Punkte zu erwähnen:
In meinen Vortrag möchte ich nun etwas Kritisches zur »Behandlungs«-Methode sagen. Kritik der »Behandlungs«-Methode
Diese simple Logik ist auch in der Forschung über Kindesmißbrauch zu finden, in der ebenfalls häufig mehr das politisch genehme über das wissenschaftlich richtige oder, anders ausgedrückt, Ideologie über Wahrheit dominiert. Margaret Alexander mußte beispielsweise 280 von 359 Studien wegen methodischer Schwächen aussondern. Ein Aufsatz von Fredriksen nennt die häufigsten Probleme der Mißbrauchsforschung, wie auch das Team um Bruce Rind in ihrer nunmehr berühmten Meta-Analyse. In seinem bekannten Buch über die Ergebnisse der therapeutischen Forschung schreibt Dennis Howitt im 7. Kapitelt: »In einer derartigen Situation können Erfolgsmeldungen manchmal nicht mehr sein als das Ergebnis von Wunschdenken, beim Therapeuten, beim Klienten oder bei beiden zusammen.« (191) Die Verfechter des ersten Weges mögen also in ihren Ansprüchen bescheiden sein - wie ich es auch bin. Nun komme ich zur Selbsthilfe-Methode. Hier kann ich mich nur auf zwanzig Jahre Erfahrung stützen, denn die es ist nur wenig darüber geforscht worden. Ich werde dementsprechend vorsichtig sein. Die Methode der SelbsthilfeHelfer, Klienten und VisionDie Grundannahme ist es, nicht Helfer und Klienten zu unterscheiden, sondern in den Mitgliedern der Gruppe sowohl Helfer wie Klienten zu sehen, die sich gegenseitig helfen. Es gibt keinen Unterschied, alle sind menschliche Wesen, die ihren eigenen Weg suchen, um mit ihren pädophilen Gefühlen leben zu können. Die unterschiedlichen methodischen Ansätze unterscheiden sich offensichtlich in ihrem Menschenbild. Hinter der mechanischen Vorstellung menschlichen Handelns im ersten Falle findet sich ein Bild des Menschen als Sünder, der fast automatisch das Falsche tut. Der zweite Ansatz stellt den Menschen als soziales Wesen in den Mittelpunkt, der dritte seine innerpsychische Dynamik. Sowohl de zweite wie der dritte Weg sehen in ihm nicht den Sünder vielmehr einen Suchenden auf dem Weg zu einer ihm gemäßen Lebensweise, von der sie beide glauben, daß er sie auch finden kann. MethodeDie Hauptmethode ist das Gruppen-Interview. Für gewöhnlich gibt es einen Leiter für dieses Interview, aber dies ist kein »Therapeut.« Er oder sie ist lediglich eines der Mitglieder, das den Gruppenprozeß anregt, indem es jedermann auffordert zuzuhören, einer nach dem anderen zu sprechen, seine Gefühle zu offenbaren und Gedanken und Gefühle mit den anderen auszutauschen. Es geht hier nur um bewußte Gefühle; die Mitglieder der Gruppe bitten einander, ihre Gefühle auszudrücken, auch ihre tiefsten Gefühle, aber dringen nicht in das Unbewußte vor. Die Mitglieder geben einander spürbare Hilfe in verschieden Lebensbereichen. Dies ist wichtig, weil Menschen mit pädophilen Gefühlen gerne dazu neigen sich zu isolieren, als eine isolierte Minderheit zu leben, wie Agner Fog es in seinem Aufsatz nannte. Dort spricht er von dem »Syndrom der isolierten Minderheit« bei Menschen mit devianter Sexualität. »Zu den Symptomen dieses Syndromes gehören ein stereotypiertes und ungesteuertes Sexualverhalten und verschieden unspeziefische soziale Sympomatiken. Zugrunde liegt dem ein Mangel an geeigneten Vorbildern und die Nicht-Annahme der eigenen sexuellen Gefühle. Gruppentherapie in Selbsthilfegruppen ist eine effektive Behandlung.« Erfahrenere Mitglieder solcher Gruppen dienen den weniger erfahreneren mit der gleichen oder einer ähnlichen Paraphilie als Vorbilder, und lehren sie, einen Lebensstil zu finden. Die ZielenDas erste Ziel ist es, daß die Teilnehmer sich ihrer eigenen Empfindungen bewußt werden und sie als Teil ihrer selbst annehmen und nicht bekämpfen. Neue Mitglieder können sehen, hören, fühlen, daß dies möglich ist. Sie werden dazu eingeladen, sich selbst und die anderen Mitglieder als Personen, ganze Menschen, als Gestalten einschließlich ihrer innern Empfindungen anzunehmen. Diese Aspekte der Methode werden auch von Van Naerssen und Van Zessen beschrieben, die beide aus den Niederlanden stammen. Dennis Howitt verwendet einige Seiten auf 'support therapies', wie er sie nennt. Nebenbei gesagt ist diese Selbsthilfemethode weit verbreitet und wird von Menschen mit ähnlichen Problemen, Krankheiten, Lebenslagen oder Idealen benutzt, wie Christen, Schwangere, Eltern mit schwuler Söhnen, Blinden, Tauben und vielen anderen. Zweitens ist es das Ziel, den Mitgliedern die Einsicht zu vermitteln, daß es verschieden Möglichkeiten gibt, mit ihren Gefühlen zu leben. Auf der Web-site der Gruppe JON finden sich zwanzig Lebensstile mit der Aufforderung an den Besucher, den einundzwanzigsten zu suchen: seinen eigenen. Neue Mitglieder werden dazu eingeladen sich auf die Suche nach ihrem eigenen Lebensstil zu machen, sie sehen, hören und fühlen auch, daß dies möglich ist. Es gibt mehr Möglichkeiten unter der Sonne als es Stereotypen dafür gibt. - JON rät übrigens nicht zu sexuellen Kontakten zu Kindern. Sowohl das erste wie das zweite Ziel können die Auswirkungen des Syndroms der isolierten Minderheit vermindern. Es gibt eine zusätzliche Methode: Unterstützungszirkel (support circles). UnterstützungskreiseEin solcher Unterstützungszirkel ist eine Gruppe von Menschen, die gleichsam einen Kreis um den Klienten bilden. Kirchliche Gruppen tun dies, wie auch die Gruppe JON. Die Mitglieder suchen den Klienten zu Hause auf. Sie laden ihn zu Ausflügen ein, sie kochen und essen mit ihm zusammen. Sie gehen mit ihm ins Kino oder Theater, nehmen an einer Exkursion teil oder einer Reise. Sie regen den Klienten an, so weit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, und helfen ihm dabei. Hugh Kirkegaard und Wayne Northey haben über dieses Modell geschrieben. Zunächst beschreiben sie die den Prozeß der gesellschaftlichen Konstruktion von Sündenböcken. Dann fahren sie fort und schreiben, wie Glaubensgemeinschaften begannen, diesen Prozeß zu stoppen und Unterstützung in, wie sie es nennen, "Circles of support and accountability'' anzubieten. »Das Ziel eines Zirkels ist es nicht Behandlung, sondern Unterstützung und Verantwortung zu ermöglichen.« Die niederländische Pfarrer Hans Visser beschiebt die Unterstützung welche ein kirchliche Gemeinschaft geben kann. Auch verschiedene Web-sites fungieren heutzutage als virtuelle Gruppen und Unterstützungszirkel. Mehrere solche Web-sites arbeiten aus christlicher Verantwortung. Darüber schrieb Heather Elizabeth Peterson einen langen Artikel. Er ist - wie alle Aufsätze, die ich nenne, auf der CD-Rom und Web-site, die ich gemacht habe. ErgebnisseÜber die Resultate der Unterstützungskreise schreiben Kirkegaard und Northy:
Zwei Rückfällige von 32 das ergibt eine Rate von 6.25 %, das ist nicht viel. Wenn man, wie üblich, nur die Rückfälligkeit bei Sexualdelikten betrachtet, so kommt man auf 3.13 %, und dies ist sehr wenig. Wir haben viele Jahre Erfahrungen mit der Selbsthilfemethode in einigen der örtlichen Arbeitsgruppen der NVSH (nicht überall, manche Gruppen bieten überhaupt nicht viel Unterstützung an). Ich habe ungefähr zwanzig Jahre in mehreren Gruppen mit dieser Methode gearbeitet. Wir sahen wie die Mitglieder langsam ihre tiefen Gefühle erkannten und annahmen. So entsteht eine Atmosphäre der Kameradschaft. Menschen, die mit dem Gefühl zu uns kamen: »Oh, ich habe ein großes Problem! Ich glaube, ich habe solche Gefühle! Was soll ich nur machen?« verloren ihre panische Angst sehr schnell und gewannen Hoffnung für die Zukunft. Wir konnten miterleben, wie jeder von ihnen seinen (oder ihren) eigenen Weg gefunden hat, um mit den eigenen Empfindungen fertigzuwerden. Mancher verschwand dann wieder nach einem »Danke schön!« Andere blieben und halfen den Neulingen. Ein anderes Ergebnis ist es, daß in jeder Gruppe und allmählich auch in größerem Kreise ein ethische Leitfaden entwickelt wurde. Im Laufe der Jahre wurde er unter dem Namen der »Vier Prinzipien mit einem Post Scriptum« bekannt. Ich habe diese Entwicklung in meinem Artikel I didn't know how to deal with it beschrieben, der niederländische Psychiater Gerard Roelofs schrieb auch ein Artikel und der ebenfalls niederländische Psychiater Frank van Ree schrieb Intime Beziehungen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen; Gibt es Kriterien für einen guten Kontakt? Auch in dem Aufsatz von Heather Elizabeth Peterson wird darauf eingegangen, daß es in den Selbsthilfegruppen, die sich im Internet bildeten, eine Tendenz zu solchen ethischen Leitlinien gegeben hat. Sie nennt ein Wachstum in Richtung auf zölibatäre Lebensweise und gesellschaftliche Integration der Begierde ('socialising the desires'). Ich kann das für die Gruppen bestätigen, die ich kenne. Fast alle Mitglieder leben zölibatär. Ich schätze die Zahl der Menschen, denen in dieser Weise innerhalb von zwanzig Jahren geholfen wurde, auf etwa einhundert. Soweit ich weiß, waren davon 16 Straftäter, von denen zwei rückfällig wurden, der eine mit einem Sexualdelikt, der andere mit einem anderen Delikt. Das ist eine Rückfallrate von 12.5 %, das Doppelte von dem, was Kierkegaard angibt, aber knapp unterhalb der 13.4 % von Hanson, knapp oberhalb von Robinsons 10 % für Täter, die behandelt wurden, aber unterhalb der 20 %, die er für Täter ohne Behandlung nennt. Wenn ich nur die sexuelle Rückfälligkeit betrachte, wie viele dies tun, dann ist die Zahl 6.25 %: einer in zwanzig Jahren der Arbeit in dieser Weise. Wir können diesen Rückfall nicht einmal unzweideutig der Selbsthilfemethode zuschreiben, denn dieser eine hatte auch die anderen Arten der Behandlung nach Nummer 1 und 3 durchlaufen und zwischen seinem Aufenthalt in der Gruppe und dem Rückfall war eine längere Zeit vergangen. Wichtiger ist natürlich festzuhalten, daß dies keine Zahlen aus »harter Forschung« sind, denn diese haben wir nicht beabsichtigt und nicht durchgeführt. Es sind nur bescheidene Schätzungen, so ehrlich, wie mir möglich ist. Es ist aber keine kleine Zahl von Fällen zugrunde gelegt, und auch eine Beobachtung über längere Zeit, zwanzig Jahre, möglich gewesen. Abschließende BemerkungenKeine Methode kann hundertprozentigen Erfolg für sich beanspruchen und Rückfallfreiheit garantieren. Jede Methode scheint ihre eigenen Stärken und Schwächen zu haben, namentlich wenn wir zwischen unseren Klienten differenzieren, wie ich es in einer der Zeilen meines Schema tue. Wie Sie sehen, möchte ich die erste Methode nur für solche Klienten empfehlen, die sich nicht auszudrücken und zu beherrschen verstehen. Für Klienten, die sich aber auszudrücken verstehen, die zuhören können und die sich beherrschen können, scheint die Selbsthilfemethode eine gute Alternative zu sein. Sie ist weniger aufwendig und - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - womöglich ganz effektiv. Sie verdient es ausprobiert und evaluiert zu werden, auch wissenschaftlich ausgebaut. Sie könnte besonders denen helfen, auch in Verbindung mit den Unterstützungszirkeln, die aus der Haft entlassen werden und in die bürgerliche Gemeinschaft zurückfinden wollen. Statt sie nur zu registrieren und zu überwachen, sollten wir sie vielleicht erst einmal unterstützen. Sie alleine zu lassen, wird sie nur dem Druck der sozialen Isolation aussetzen, dem sie womöglich nicht gewachsen sind. Ich möchte noch einmal betonen, daß ich alles, was ich hier gesagt habe, so bescheiden und unaufdringlich wie möglich verstanden haben will. Ich habe nur meine bescheidene Meinung gesagt, und möchte hinzufügen: Lassen sie uns alle bescheiden und unaufdringlich sein. Vor einer Weile, noch nicht so lange her, war Masturbation ein großes und schweres Unheil, das große Leiden verursachte, und wenig später war es dasselbe mit der Homosexualität. Heute sind es die Menschen mit pädophilen Empfindungen, die als die Geißel der Menschheit dargestellt werden. Wie ich schon sagte, das sind vielleicht bis zu 25 % der normalen Männer. Vor langer, langer Zeit also haben die Sexualwissenschaftler Dinge gesagt, die sich dann als falsch herausstellten... Wie es scheint, wurden sie von Ideologie, Religion oder Politik beeinflußt, in jenen Tagen. Heute sind wir nur Wissenschaftler, die keine Ideologie kennen. Heute - in den Tagen, die dieser Kongreß dauert, - reden wir miteinander vernünftig, höflich und bescheiden. Ich werde es tun und lade auch Sie dazu ein. |