Zur Notwendigkeit pädophiler SelbsthilfegruppenWolfgang K. und Paul S., Mailand und München im September 1997; Überarbeitung Januar 1998 Wie werden pädophile Selbsthilfegruppen derzeit öffentlich dargestellt und behandelt?Zunehmend trifft die gegenwärtige anti-pädophile Repression auch nicht-straffällig-gewordene Betroffene und deren Selbsthilfeorganisationen. Sie äußert sich in öffentlichen Verleumdungskampagnen, staatlich verfügten Versammlungsverboten, Distanzierungsbeschlüssen und Zensurmaßnahmen. Durch die verschärfte Isolation von pädophil orientierten Menschen meint man, dem organisierten Kindesmißbrauch Einhalt bieten zu können. Der Versuch, pädophil veranlagte Personen voneinander zu isolieren bzw. ihre pädophile Identität zu unterdrücken, trägt entscheidend dazu bei, sie bezüglich ihrer sexuellen Orientierung rat- und hilflos, verzweifelt und in Ausnahmefällen sogar selbst- und fremdgefährlich zu machen: Das Syndrom der isolierten MinderheitDer dänische Sexualwissenschaftler Dr. Agner Fog beschreibt in seinem Aufsatz "Sexuelle Abweichung und Therapie" die Situation von Menschen, deren sexuelle Identität unterdrückt wird, als "Syndrom der isolierten Minderheit":
Was sind pädophile Selbsthilfegruppen wirklich?Dies sei zunächst am Beispiel der Münchner Pädo-Selbsthilfe- und Emanzipationsgruppe, die sich seit 1979 fast ohne Unterbrechung regelmäßig trifft, in der AG-Pädo mitarbeitet und im Internet Öffentlichkeitsarbeit betreibt, kurz dargestellt: Ein Mal monatlich treffen sich in einem angemieteten Raum eines Münchner Vereins jeweils etwa 10 bis 15 Personen, um mit Gleichgesinnten über alle möglichen Aspekte des Pädolebens reden zu können. Es sind zumeist Männer hetero- und homosexueller Orientierung verschiedenen Alters, die sich als pädophil verstehen oder die sich für das Thema aus verschiedenen Gründen interessieren und die aus dem gesamten süddeutschen/österreichischen Raum zu den Treffen kommen. Unter-16-Jährige dürfen nicht teilnehmen. Illegale Aktivitäten wie Adressenvermittlung von Kindern und Herzeigen oder Austausch von pornographischen Materialien kommen nicht vor. Die Gruppe wird von einem erfahrenen Diplomsoziologen betreut. Jeder Teilnehmer stellt sich anfangs mit dem Vornamen und einer kurzen Selbstbeschreibung vor und nennt das konkrete Anliegen, das ihn zur Gruppe führt. Die Gesprächsthemen entsprechen den meist prekären Befindlichkeiten von Personen, die einer verfemten Minderheit angehören: Selbstbehauptung und Selbstbild, Umgang mit der Veranlagung, Ersatz- und Überlebensstrategien (Verleugnung, Verdrängung, Vermeidung, Beschränkung, Sublimierung, Kompensation, Fixierung u.ä.), Einsamkeit, (Selbst-) Aggression, projizierte und reale Bedürfnisse, Austausch über die jeweiligen Biographien, Information über Gesetze und über den Sinn, Zweck und die Möglichkeit von Therapien. Daneben werden aktuelle und organisatorische Fragen sowie die Öffentlichkeitsarbeit besprochen. Letztere zielt auf die Verbreitung einer differenzierten Sicht der Sexualität in Gesellschaft und Recht. Das Gesprächsforum der Pädo-Selbsthilfegruppe ist der einzige Ort, wo Betroffene oft zum ersten Mal ohne Angst vor Ablehnung und Repression mit anderen ihre Neigungen und Nöte teilen und erkennen können, daß sie damit nicht allein sind. Dadurch kann das oft angeschlagene Selbstbewußtsein des Einzelnen gestärkt werden. Der Teilnehmer erhält die Chance, seine durch den Normdruck gebrochene Identität (wieder-)zu finden und in sozialer Realität zu stabilisieren. Denn nur im Gespräch von Gleich zu Gleich erfährt er das Feedback, das er vorbehaltlos zu akzeptieren vermag. Inwiefern bedeuten pädophile Selbsthilfegruppen aktiven Kinderschutz?Ethische Fragen zu den Beziehungen zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen spielen in Pädo-Selbsthilfegruppen stets eine wichtige Rolle. Im Zentrum stehen dabei die Verantwortung des Erwachsenen im Umgang mit Kindern, mit dem alters- und sozial bedingten Machtgefälle, die Sensibilisierung bezüglich versteckter psychischer Gewalt sowie die Frage nach den Möglichkeiten wirklicher Einvernehmlichkeit bei pädosexuellen Kontakten. Die Gruppenteilnehmer bekommen die Chance, ihr Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern, was Kindern, mit denen manche (meist soziale, nichtsexuelle) Kontakte haben, direkt zugute kommt. Nur von einem psychisch stabilen Menschen ist zu erwarten, daß er reflektiert und verantwortungsbewußt handeln kann. Dies ist insbesondere richtig, wenn es um den psychisch so bedeutsamen, sexuellen Bereich des Menschen geht.
Die traditionelle Therapie will die besonderen sexuellen Gefühle dem Ich des Pädophilen entfremden. Dies geschieht meist gegen dessen inneren Widerstand und kann bei diesem zu unkontrollierbaren Reaktionen führen. Kompetente pädophile Selbsthilfegruppen arbeiten dagegen stets auf der Basis von Freiwilligkeit, Vertrauen, Repressionsfreiheit (nicht Rechtsfreiheit) und Bewußtwerdung und wirken daher in hohem Maße 'entneurotisierend'. Dies kommt Kindern indirekt zugute.
Schlußbemerkung und Zusammenfassung:Sicher wird ein humaner und rationaler Kinderschutz erst dann erreicht sein, wenn eines Tages die Strafbarkeit der sexuellen Kontakte mit Kindern auf die echten Fälle sexueller Mißhandlung, wo das Selbstbestimmungsrecht oder die Integrität des Kindes verletzt werden, beschränkt sein wird. Eine genuine pädophile Orientierung läßt sich nicht wegtherapieren, allenfalls (mit den genannten problematischen Folgen) verdrängen. Nur ein offener Austausch in sozialer Einbettung vermag den einzelnen Pädophilen dazu befähigen, den persönlichen Umgang mit seiner Sexualität sozial verantwortlich zu gestalten. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Realität können kompetente Pädo-Selbsthilfegruppen diese (auch therapeutische) Aufgabe am besten leisten. Deshalb sollten sie nach Kräften unterstützt und gefördert werden. (1) Dr. Agner Fog "Sexuelle Abweichung und Therapie", Übersetzung aus dem Englischen von Marianne Wischmeier-Bayer, 1997. (Original: "Paraphilias and Therapy", Nordisk Sexologi 1992, 10, S.236-242). |